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Sie will doch nur tanzen (II)

Salsa ist nur was für heißblütige Latinos? Von wegen! Oder sagen wir so: Auch der als steif verrufene Teutone ist gar nicht so unlocker, wie manch einer meint. Die Mischung aus europäischen und afroamerikanischen Einflüssen spricht alle Kulturen an und verführt durch das in Bewegung umgesetzte Lebensgefühl der Leichtigkeit, macht locker um die Hüften und verwöhnt mit eingängigen Rhythmen.

Salsa cubana, Reggaeton, Latin Pop – auch die aktuelle Musik wird immer „lateinischer“

Zu verdanken haben wir Salsa der Kolonialherrschaft, ausnahmsweise mal eine erfreuliche Folge. Denn auf diese Weise vermischten sich in den 20er Jahren in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern diverse Tanz- und Musikstile.Durch die Emigration vieler Latinos nach dem Ende des 2. Weltkrieges nach Nordamerika entstand in den 60er Jahren die Salsa, durch die Vermischung der verschiedenen lateinamerikanischen Tanzstile. Welche sich widerum in unterschiedliche Stilrichtungen ausdifferenzierte, wie zum Beispiel zum New York Style, dem Cuban Style oder dem L.A. Style. In Deutschland wird in den Tanzschulen zumeist eine Melange dieser Stile gelehrt, und in den Clubs macht eh jeder, wie er es mag. Und das ist auch gut so. Denn hier geht es nicht nur um Technik, sondern vor allem um Spaß! Und die wachsende Clubszene zeigt, wie sehr Salsa als Lebensgefühl auch hierzulande angekommen ist.
In meiner Reihe über drei Frauen und ihre Tanzleidenschaften stelle ich heute Christina vor, leidenschaftliche Salsera aus Herne.

Salsa – hot & groovy

Kannst du kurz erzählen, wie du zum Salsa gekommen bist?

Christina: Ich hatte eine Freundin, die ist irgendwann nach Berlin gegangen und hat dort Salsa für sich entdeckt. Als ich sie in Berlin besucht habe, war sie schon voller Leidenschaft für Salsa, und sie hat mich überredet, mit auf eine Salsaparty zu kommen. Ja, und dann hat es mich total gepackt, und ich habe voll Bock drauf gekriegt, das zu lernen. Und als ich zuhause war, habe ich sofort geguckt, wo man hier im Ruhrgebiet tanzen gehen kann.

Salsa in Corona-Zeiten: Christina und Staubsaugermann Pauli üben im Garten

Zuerst bin ich dann in Essen einmal wöchentlich zu einer Salsaparty gegangen und habe angefangen, Salsa zu lernen, mit einem Schnupperkurs vorneweg. Das ist schon lange her, da war ich 25. Das habe ich dann eine Zeitlang gemacht, aber wieder ein bisschen aus den Augen verloren. Als ich meinen späteren Mann kennengelernt hatte, der keine Lust auf Tanzen hatte, habe ich das wieder einschlafen lassen. Zumal wenn man eine Beziehung hat und dann Tanzen geht – das ist ja nicht gerade förderlich für eine Beziehung. Dann bin ich vor ca. 3 Jahren wieder mit 2, 3 Freundinnen losgezogen. Ich dachte, ich will wieder tanzen gehen, aber nicht alleine los. So hatte ich das ja damals gemacht, aber das war mir doch ein bisschen zu alleine. Und so war es dann einfach netter und angenehmer. Ja, so war das.


Du sagst, tanzen zu gehen, oder in deinem Fall alleine zum Salsa zu gehen, ist nicht für die Beziehung förderlich. Wie meinst du das genau?

Christina: Also früher bin ich viel alleine losgezogen und habe gemerkt, dass es ja viel schöner ist, am Anfang mit mehreren loszugehen, weil es einfach geselliger ist und man da nicht alleine rumsteht. Im Laufe der Zeit habe ich dann ganz viele kennengelernt, so dass ich mich jetzt auch gar nicht mehr alleine, sondern aufgehoben fühle. Dadurch, dass ich da mittlerweile ganz viele Menschen kenne, weiß ich auch: Egal, wohin ich tanzen gehe, ich treffe immer jemanden, den ich kenne. Es fühlt sich schon ein bisschen familienmäßig ist.Zum Thema Beziehung: Ich merke einfach, dass es gerade im Paartanz schön ist, einen Menschen an seiner Seite zu haben, mit dem man das teilen kann. Ich kenne zwar auch viele Frauen, die in Partnerschaft sind und alleine Salsa tanzen gehen. Aber ich habe halt für mich auch gemerkt, dass ich das einfach nicht so möchte. Ich finde es viel schöner, das in einer Beziehung auch zu zweit leben zu können. Ist etwas anderes, als zum Yoga zu gehen, da kann ich ja auch alleine hin. Aber Salsa ist für mich schon ein großes und leidenschaftliches Hobby, das man ja gut zu zweit machen kann. Salsa heißt Soße – eine Mischung aus diversen musikalischen und tänzerischen Stilen von Afrika über Europa bis Lateinamerika. Lebendig, groovy und sexy.


Es gibt ja Leute, die meinen, dass sich im Paartanz das alte Rollenmuster manifestiert: Der Mann führt, die Frau folgt. Wie siehst du das?

Christina: Ja, es stimmt, es ist irgendwie auch ein Rollenklischee. Aber das steht halt nicht im Vordergrund. Es geht vor allem darum, den Paartanz zu zweit zu tanzen. Wobei ich es auch schon eine Kunst finde zu führen, und ich finde es auch tatsächlich eine Kunst, geführt zu werden und sich gut führen zu lassen. Im Salsa ist es halt üblich, dass sehr sehr viele Männer führen, aber die meisten kennen nicht die Frauenschritte. Wobei ich 1, 2 Männer kenne, die das auch können. Allerdings gibt es viel mehr Frauen, die auch führen können. Und wenn ich das beobachte, sieht das immer sehr geschmeidig aus. Die große Kunst zu führen lerne ich jetzt selber auch und merke jetzt, wie schwierig das ist. Tatsächlich ist es im Salsa so, dass der führende und folgende Part jeweils männlich und weiblich besetzt ist. Im Lindy Hop sieht das ganz anders aus. Das ist dahingehend auch schöner und viel offener, weil da immer gefragt wird: Wer ist der Führende und wer der Folgende? Ich denke, das braucht noch viel Zeit, bis sich da die Rollenverteilung noch ein bisschen aufmischt. Aber wie gesagt, in erster Linie finde ich den Paartanz einfach schön, weil es um den Tanz geht. Und es ist auch wunderschön, geführt zu werden und zu folgen. Das hat auch einen großen Reiz.


Was ist an Salsa für dich so besonders? Was fasziniert dich daran? Fühlst du dich verbunden mit der Kultur, aus der dieser Tanz kommt?

Christina: Dass ich mich mit der Kultur verbunden fühle, wäre gelogen… Für mich stehen der Tanz und die Musik im Vordergrund. Dadurch dass ich über 8 Jahre afrikanischen Tanz gemacht habe, helfen mir die Bewegungen. Denn sehr viele Bewegungen kommen ursprünglich aus dem Afro. Meine Faszination und das Besondere sind: der Rhythmus der Musik, soviel Lebendigkeit und Lebensfreude, die mich ergreift. Salsa ist für mich Lebensfreude pur, nirgends sonst werde ich so lebendig. Im Tanz bin ich in dem Moment, ganz im Hier und Jetzt. Sobald ich auf einer Salsaparty bin, habe ich Lebensfreude, egal was mir vorher im Alltag noch im Wege stand. Ich schalte völlig ab!Es ist auch Sport, ohne dass ich es als Anstrengung empfinde. Herausforderungen finden sich immer wieder durch wechselnde Tanzpartner: unterschiedliche Levels zu haben und sich im Tanz aufeinander einzustellen, miteinander in einen gemeinsamen Flow zu kommen.Und je länger man zu unterschiedlichen Partys geht, stelle ich fest: Oft trifft man die gleichen Leute. Ich lerne immer mehr Menschen dadurch kennen, und so wird es zu einem gemeinschaftlichen Wir-Gefühl – etwas sehr Beheimatendes. Salsa macht süchtig, die schönste Sucht, die ich zur Zeit habe. Und die ich gerne habe!

Wir denken zuviel und fühlen zu wenig

Charlie Chaplin

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