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Echt weird? Warum Anglizismen gar nicht so böse sind

Im intellektuellen* Deutschland gehört es oft genug zum guten Ton, Anglizismen in der deutschen Sprache abzulehnen. Why? Ganz klar ist mir das nicht. Ist es doch ebenso anerkannt, dass Sprache sich ständig wandelt. Und ist nicht ein Gutteil des heutigen Wortschatzes sowieso aus anderen Sprachen entlehnt, angefangen vom Lateinischen. Schon, höre ich Gegenstimmen, aaaaber. Aber was? Die Wörter, um die es hier geht, sind nicht so, sagen wir mal, schön? McClean als Toilette. Ok, lächerlich. Aber vor allem, weil es keine eindeutige Bezeichnung ist. Könnte auch ein Waschsalon oder eine Autowaschanlage sein. Dagegen gibt es jede Menge englische Begriffe, die eben genau das leisten. Nämlich eine Bedeutungsnuance zu bieten, die es im Deutschen so gar nicht oder nur umständlich gibt. Nehmen wir mal das harmlose cool. Welches deutsche Wort kann das ausdrücken? Wenn etwas cool aussieht oder cool ist, ist das nicht automatisch schick oder lässig oder gar kühl. Es ist einfach cool. Für unter 20jährige sogar swag. Vielleicht weil es Coolness auch als erstrebenswerte Eigenschaft noch nicht so lange gibt. Schaffen Wörter nicht gar Bedeutungen? Oder kristallisiert* in ihnen ein Lebensgefühl? Welches in der Regel von der Jugend kommt und somit wiederum oft reflex*haft abgelehnt wird von der älteren Generation*. Denn diese sieht sich oft unbewusst als Eigner der Sprache wie auch der gesamten Kultur*.

Dazulernen – der heiße Scheiß auch für Ältere

Nur weil man Ü50 nicht sofort versteht, was weird ist, ist das per se* abzulehnen? Wollen wir nicht doch noch etwas dazulernen? Und wenn es uns nicht gefällt, lassen wir es halt. So what? Die Jugend schafft sich ihre eigene Sprache, sicherlich beeinflusst durch die asozialen und die sozialen Medien. Also grenzen sie sich doch ein wenig ab. Na endlich! Aber nimm mal ein normales Gespräch zwischen jungen Leuten auf, und zähl die Anglizismen. Das Ergebnis ist magerer als mancher medialer Entrüstungsruf glauben macht (und vielleicht eher problematisch aus grammatikalischer Perspektive*). Und das weird von heute überlebt vielleicht nicht einmal ein Jahr. Nicht jede Neuschöpfung ist wie cool, ein Überlebenskünstler aus inhaltlichen Gründen.

Warum Anglizismen gar nicht so böse sind. Von Kirsten Surwehme

Auch dass alte Leute nichts mehr verstehen, ist wohl eher eine Ausnahme. Welcher 80jährige weiß nicht, was ein Service Center oder Wellness ist? Und zum Assessment Center muss er wohl auch nicht mehr. Und ganz ehrlich. Den Pfeifenbläser, den Scheißsturm, die Totlinie und das Selbstie habe ich in der englischen Version doch irgendwie lieber. Also lass uns großzügig und kreativ* sein im Umgang mit der Sprache. Und wenn wir Respekt von der Jugend fordern, sollten wir ihr auch unsere Ansichten mit derselben Prämisse* vermitteln. Wie bei jeder Mode gibt es hier Fails und neue Evergreens, das wird sich schon von selbst regeln. Meist scheitern ja eh die künstlichen Konstrukte* wie Zmombie, die nicht selten von oberen Sprachhütern überhaupt erst in die breite Öffentlichkeit gestreut werden. Oder von Werbetreibenden, die oft genug grandios scheitern im Versuch der Anbiederung an ihre hippe Zielgruppe. Der entstehende Kopfschüttel-Effekt verschafft vor allem dem Fingerzeiger Aufmerksamkeit. Wie irrelevant* das Objekt* der Kritik* ist, verblasst dann gerne im Sturm der Entrüstung.

Wie wäre es denn, wenn wir, statt uns aufzuregen, mal wieder ein paar herrliche, fast ausgestorbene Wörter in unsere Kommunikation* einstreuen würden? Oder ist das Mumpitz, Kokolores oder Quatsch mit Soße? Aber dazu ein andermal. Ein Wortschatz ist ja so wertvoll, weil er jede Menge funkelnde Schmuckstücke enthält. In diesem Sinne „Come in and find out”, äh “Komm rein und finde wieder raus”.

*Wortherkunft aus dem Lateinischen

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